WAS GEGEN DIE NATUR IST, HAT AUF DAUER KEINEN BESTAND

Charles Darwin verfasste einst diesen klugen Satz, der so simpel formuliert die Komplexität aller Verhältnisse und Strukturen unserer Welt erfasst und Störungen wie auch Krisen erklären kann. Nehmen wir diese Regel als Vorlage für uns selbst, für unser Leben mit der Natur und unsere Beziehungen, haben wir einen Schlüsselsatz für die Gestaltung unseres Lebens in der Hand. Ignorieren wir ihn, gestalten wir für uns eine Welt, in der wir uns nicht wiederfinden, getrennt vom Anderen sind und in einem tiefen Unwohlsein versinken.

Seit ich mein Permakultur Studium anfing, begann ich mehr über mich selbst und den Kreisläufen einer Welt, in der ich lebe, zu lernen. Ich fing an, zu begreifen, dass sich diese Grundregel in den Gestaltungsprinzipien der Permakultur wiederfindet und diese mehr sind als das bloße Konzept zur Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen. Denn „Die Erde kann wie ein Lebewesen betrachtet werden, als komplexes System, das durch dynamische Vorgänge innerhalb der Biosphäre stabilisiert wird.“ (Das GAIA Prinzip, James Lovelock) Wir sind Teil dieses Lebewesens und unterliegen ebenso den dynamischen Vorgängen und Regeln, die die Natur macht. Unsere eigene Natur ist in diesem komplexen System eingewoben und reagiert mit Störungen und Krisen, wenn wir sie mißachten und ein Leben leben, das nicht dafür gemacht ist. Wir müssen dringend verstehen, was unsere wahre Natur ist und woher unsere Krisen stammen, denn die Gesellschaft, so wie wir sie kennen, kann nicht das richtige Maß sein. Sie erschafft dauerhaft Krisen, im großen Gesellschaftlichen wie im kleinen Privaten.

„Als älteste gedankliche Vorläufer der der Permakultur zugrundeliegenden GAIA Hypothese nennt James Lovelock Charles Darwins Evolutionstheorie und Alexander von Humboldts Werk Kosmos.” Alexander von Humboldts „Entwurf einer physischen Weltbeschreibung“ ist nicht nur die Erklärung einer Natur, die vor den Toren unserer Städte liegt sondern die Beschreibung der Welt, in der wir auch nur ein Teil sind und nicht so tun können als würden wir darüber stehen und die Geschicke und Geschichten lenken können. Die Natur ist nicht das, was da draußen zu unseren Füßen liegt, sondern unsere Bestimmung, über die wir uns nicht hinwegsetzen können und „die Erscheinung der körperlichen Dinge in ihrem Zusammenhange, die Natur als durch innere Kräfte bewegtes und belebtes Ganzes.“ Wollen wir überleben, müssen wir aktiv und gestalterisch so wirken wie es der Natur entspricht.

Ich habe mein Leben als Leben gegen meine Natur erlebt, denn ich war darum bestrebt, ein Teil dieser Gesellschaft sein. Aber es funktionierte nur irgendwie nie. Mein Unwohlsein erschien mir bisher als eine persönliche Befindlichkeit, als einen Impuls eines unangepassten Kindes. Ich begann mich mehr damit zu befassen als mein Unwohlsein zu heftigen persönlichen Problemen anwuchs. Wie eine lebensbedrohliche Allergie reagierte mein Körper auf Anpassungsmaßnahmen mit derart heftigen Abstoßungsreaktionen, dass ich bald gar nicht mehr in dieser Welt zurechtkam. Ich erkannte für mich, dass die Abstoßungsreaktion eine gesundes Reaktion meiner Natur ist, denn gegen meine Natur zu leben, hatte ein tiefes Unwohlsein hervorgerufen, so dass ich nicht mehr rausgehen wollte und mich vor dem Leben zurückzog, das da draußen war. Mein Geist verformte sich zu einem unfreien Verstand, in dem Glaubenssätze so tief verankert waren, dass ich weder aktiv noch gestalterisch in mein Leben eingreifen konnte. Ich war bis zur Unkenntlichkeit ängstlich geworden, denn ich fürchtete mich vor der Welt da draußen, deren Regeln ich nicht verstand. Gegen meine eigene Natur zu handeln, hatte Auswirkungen: Ich selbst hatte auf Dauer keinen Bestand. In vielerlei Hinsicht.

Aber dem ist nicht so. Es ist keine persönliche Befindlichkeit sondern eine falsche Lebensweise. Um diese alten Glaubenssätze aufzulösen, die mir ein Leben nahe meiner Natur unmöglich machen, und die Prozesse umzukehren, geben mir die Permakultur Prinzipien eine Orientierung. Wenn ich die Werte dieser Gesellschaft hinter mir lasse (viel, lange, schnell und immer Gewinne erwirtschaften) und mich an der Natur ausrichte, lässt sich die komplizierte Frage danach, in welchem Maße und welchen zeitlichen Anteilen ich meine Aufenthalte auf meinem Grundstück in Frankreich und meinem Tiny House in Berlin gestalte, mit den Permakultur Prinzipien beantworten. Im Permakultur Design ist das Beobachten der Ereignisse, Elemente und Beziehungen sowie das Reagieren darauf eine Vorgehensweise, die die Geschehnisse und Wandlungen berücksichtigt und nicht versucht, eigene starre und festgelegte Vorgaben unveränderbar in das Gegebene für immer hineinzupressen. Ich muss mich nicht endgültig und überhaupt festlegen, wo ich leben will. Ich habe immer die Möglichkeit, flexibel auf meine eigenen Bedürfnisse und die Umstände einzugehen und zu wählen, wo ich mit wem wann sein möchte. Ich kann mir selbst die Freiheit geben, immer wieder neu zu entscheiden, Korrekturen vorzunehmen und Veränderungen einzuladen. Ich werde lernen, auf diese Prinzipien zu vertrauen, um mir selbst ein stabiles System aufzubauen, in dem ich dauerhaft existieren kann. Ich werde erfahren, wie sehr mir das Vertrauen auf die Natur helfen wird, weil es das große Ganze im Blick hat. Im Moment fühlt sich das Neue noch fremd an, aber ich glaube, dass darin die Wahrheit liegt.


Beitrag veröffentlicht

in

von

Schlagwörter: